Theo, Pia & Nico Frass

Der Kampf gegen die Dunkelheit

Mutter Pia und der kleine Theo: Sein Lachen ist das größte Geschenk.

Kinderaugen entdecken die Welt! Wie ein Schwamm saugen sie die Eindrücke aus ihrer Umgebung ein. Ein Lächeln der Mutter, ein bunter Ball, ein niedlicher Hund – all das lässt Kinderaugen strahlen. Doch wie gehen Eltern damit um, wenn sie sich zwischen dem Augenlicht und dem Leben des eigenen Kindes entscheiden müssen? Die Krebserkrankung ihres Sohnes Theo hat Pia und Nico Frass vor diese schwere Wahl gestellt.

Dabei hatte vor drei Jahren alles so schön begonnen: Schwanger! Die Freude ist bei dem Ehepaar aus Tönisvorst riesengroß: Pia und Nico Frass erwarten ihr erstes Kind, einen Sohn. Fast zeitgleich hatten sich die gelernten Kaufleute einen Traum erfüllt und die Traditionsgastronomie „Gaststätte Rosental“ in Tönisvorst übernommen. Doch die Schwangerschaft verläuft kompliziert und endet mit einem Kaiserschnitt. Der Sohn muss noch im Kreißsaal reanimiert werden. Theo überlebt, aber er ist zu früh auf die Welt gekommen.

„Ich hatte direkt ein ungutes Gefühl“, erinnert sich Pia Frass an die Wochen nach der Geburt. „Am Anfang haben die Ärzte viele Symptome damit erklärt, dass Theo ein Frühchen ist“, schildert die 29-Jährige. Doch das Kind bleibt schwach – es entwickelt sich nicht richtig und isst kaum. „Theo war ganz still, er hat nie geweint“, beschreibt die Mutter das erste Jahr mit ihrem Sohn. Die Eltern suchen nach Antworten, konsultieren viele Fachärzte. Mit neun Monaten kommt dann die Schock-Diagnose für Theo: Krebs in beiden Augen!

„Im Februar bekam Theo seine erste Chemotherapie“, erinnert sich Nico Frass, der gemeinsam mit seiner Frau heute das Wirtshaus „1857.“ führt. „Es war Altweiber und wir hatten damals noch die Gaststätte Rosental. Der Laden war voll mit feiernden Leuten. Ich habe mich auf der Personaltoilette eingeschlossen und Rotz und Wasser geheult.“ Sechs Monate dauert der erste Zyklus der Chemotherapie. Alle drei Wochen wird Theo zusätzlich in Narkose gelegt, um die Tumore in seinen Augen mit einem Laser zu behandeln; eine Tortur – für Kind und Eltern. Der kleine Körper gewöhnt sich an das Narkosemittel. Immer stärker muss die Dosis werden, um Theo in den künstlichen Schlaf zu versetzen. Die Therapie wirkt gut im rechten Auge, denn dieses ist schnell tumorfrei. Doch für das linke Auge ziehen die Ärzte die Reißleine: „Man hat uns darauf vorbereitet, dass wir eine Entscheidung treffen müssen“, beschreibt der 32-Jährige die schwere Zeit der Behandlung. „Theos Körper wurde immer schwächer und die Gefahr immer größer, dass er unter der Narkose stirbt.“ Eine Entscheidung treffen, das bedeutet die Wahl zwischen dem linken Auge und der lebensgefährlichen Narkose.

„Wir wollten diese Wahl nicht treffen müssen. Letztendlich hat die Entscheidung dann der Krebs getroffen“, berichtet der Vater fast erleichtert. In Theos linkem Auge befinden sich zu diesem Zeitpunkt so viele Tumore, dass man es nicht retten kann – und auch das Risiko, dass der Krebs streut, wird immer größer. Ende 2022 entfernen die Ärzte das Auge. Seitdem trägt Theo eine Augenprothese. „Es war unser schwerster Moment, das Auge unseres Kindes entfernen zu lassen. Es war daher sehr prägend für uns, als Theo nach dieser OP das erste Mal die Augen geöffnet und direkt gelacht hat“, erinnert sich der Vater. Theo schläft die ersten Tage nach der Operation viel, sein Körper scheint sich von der schweren Krankheit zu erholen.

Doch nur drei Wochen nach der Operation kommt die Hiobsbotschaft: Die Ärzte finden erneut kleine Tumore im rechten Auge. Der Krebs ist zurück! Alles beginnt von vorne: die Augenuntersuchungen, die Fahrten ins Krankenhaus. „Das war ein unglaublicher Schock für uns alle und ich konnte sehr lange mit niemandem darüber sprechen“, beschreibt Pia Frass, wie es ihr nach der Diagnose ging. Alle drei Wochen muss der kleine Junge zur Augeninspektion. Unter Vollnarkose werden die Tumore gelasert. Auch ein Jahr später ist der Krebs noch nicht besiegt.

Theo ist mit einem seltenen Gendefekt auf die Welt gekommen, der seine Entwicklung hemmt. Der Augenkrebs ist eine Begleiterscheinung.

Der Krebs, das ist bei Theo die Nebenerscheinung eines Gendefektes mit dem schwierigen Namen Q13-Deletionssympton. Nur 186 Fälle weltweit sind bekannt. Es gibt wenig Literatur und keine Studien – eine Prognose ist schwierig zu treffen. Neben dem Krebs sind eine Entwicklungsverzögerung und autistische Züge weitere Symptome. Auch das Essen ist schwierig, der kleine Theo benötigt hochkalorische Spezialnahrung. Mittlerweile ist er zweieinhalb Jahre alt. Sein Entwicklungsstand entspricht aber dem eines Kindes von erst neun bis zehn Monaten. „Niemand kann uns sagen, wo die Reise hingehen wird“, fasst Nico Frass die Situation der Familie zusammen. Klar ist, dass Theo schwerstbehindert ist und Zeit seines Lebens auf Hilfe angewiesen sein wird. „Manchmal fragt man sich schon: Warum wir?“, gibt der Vater zu. Besuche von Freunden mit gleichaltrigen Kindern sind immer noch kleine Nadelstiche ins Herz der Eltern.

Halt gibt der Familie die Kinderaugenkrebsstiftung, kurz KAKS. Der Verein bringt Betroffene zusammen. Jedes Jahr erkranken 50 Kinder in Deutschland neu an einem Retinoblastom, einem bösartigen Tumor im Auge. Retinoblastome wachsen sehr schnell und können sich über das Zentralnervensystem im ganzen Körper ausbreiten. Unbehandelt endet die Krankheit meist tödlich. Ein Blick auf ein Foto, das mit Blitzlicht aufgenommen wurde, kann einen ersten Hinweis auf die Krankheit geben: Ist im Auge ein weißer Punkt sichtbar oder reflektiert nur eine Pupille rot, sollte dringend mit dem Kind ein Augenarzt aufgesucht werden. Auch Schielen, häufige Entzündungen des Auges sowie eine Veränderung der Irisfarbe sind Warnzeichen. 

Tägliche Therapien und Untersuchungen bestimmen das Leben der Familie Frass.

Durch die KAKS können Pia und Nico Frass sich mit anderen Eltern austauschen, über Sorgen sprechen und Kummer teilen. Manche Verläufe machen Mut, andere nicht. Familie Frass gibt nicht auf. Mit Therapien versuchen die Eltern, Theo zu fördern. Ein Lichtblick ist der Aufenthalt in einer onkologischen Klinik im vergangenen Sommer auf Sylt. Hier beginnt Theo mit einer Reittherapie und macht erstaunliche Fortschritte. „Es ist unglaublich, wie diese Therapie unseren Sohn nach vorne gebracht hat“, schwärmt Nico Frass, „In der vierten Unterrichtsstunde konnte er plötzlich allein sitzen. Das konnte er vorher nicht.“ Die Reittherapie setzen sie auch nach ihrer Rückkehr nach Tönisvorst fort.

Nicht nur die täglichen Therapien bestimmen das Leben von Theo: Seit eineinhalb Jahren geht er zu einer Tagesmutter – als einziges Kind der Gruppe mit einer Behinderung. „Theo fühlt sich richtig wohl mit den anderen Kindern. Er lacht viel und interagiert“, berichtet Nico Frass. Eine weitere Verbesserung brachten verschiedene Physiotherapie-Stunden. Gemeinsam lernt die Familie nun, sich mithilfe von Gebärden auszudrücken, denn sprechen kann Theo noch nicht. Zwar kennt er die Bedeutung der Worte, aber er kann die Laute nicht mit dem Mund bilden. Einfache Gebärden helfen ihm dabei, Bedürfnisse und Wünsche zu kommunizieren. „Wir haben eine Gebärde für Spazierengehen, die er sehr oft anwendet“, erzählt Pia Frass lachend.

Wann immer es geht, begleitet der Junge seine Eltern zur Arbeit ins Wirtshaus. „Ich möchte mein Kind nicht verstecken, weil es eine Behinderung hat“, sagt Nico Frass mit fester Stimme. Mitarbeiter und Gäste wissen um die Situation des Jungen und die vergangenen, schweren Monate. Der kleine Mann ist mit seiner unbändigen Lebensfreude der Star im Betrieb geworden. „Theo sitzt in seinem Stuhl, beobachtet alles und lacht die ganze Zeit. Er liebt es, mitten im Geschehen zu sein“, beschreibt sein Vater. Besonders die Pommes frites des Hauses stehen hoch im Kurs bei Theo und werden bei jedem Besuch in der Küche getestet.

„Unser Sohn hat uns so viel beigebracht. Seitdem er da ist, haben sich unsere Prioritäten komplett verschoben. Vieles ist unwichtig geworden. Dafür ist ein Lächeln von ihm das größte Geschenk“, erzählt Theos Vater bewegt. Was wünschen sich die Eltern für ihren Sohn? Vater und Mutter sind sich einig: Das Schönste wäre es, wenn Theo als Erwachsener selbstbestimmt in einer betreuten Wohngruppe leben könnte. Der wichtigste Wunsch ist aber ein anderer: den Krebs zu besiegen und nie wieder vor die Wahl gestellt zu werden – Augenlicht oder Leben.

Spenden Sie für Kinder wie Theo!

Die Kosten für unterstützende Therapien sind immens. Familie Frass zahlt alle zusätzliche Behandlungen, wie die wöchentliche Reittherapie, aus eigener Tasche. Viele betroffene Familien sind leider hierzu nicht in der Lage und so kommen zum Leid auch noch finanzielle Sorgen hinzu.

Familie Frass bittet daher um Spenden für die Kinderaugenkrebsstiftung (KAKS). Im Wirtshaus „1857.“ der Familie ist zu diesem Zweck eine Spendenbox aufgestellt worden. Es ist auch möglich, per Überweisung direkt an die KAKS zu spenden:

KinderAugenKrebsStiftung
Sparkasse Köln/Bonn
IBAN: DE17 3705 0198 1902 6319 26
BIC: COLSDE33XXX

Fotos: Felix Burandt
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